Text:August Lustig/A. Lustig Sämtliche Werke: Band 1/Biographische Notizen

ugust Lustig ward am 4. November I840 in Hartmannsweiler bei Sulz geboren. Als er 4 Jahre alt geworden, siedelte er mit seinen Eltern nach Mülhausen über, besuchte allda die Primärschule, die er schon im I2. Jahre wieder verliess, um als Zeichnerlehrling im Hause Thierry-Mieg & Cie einzutreten.

Als er militärpflichtig geworden, ward er ins dritte Regiment der Lanciers aufgenommen, wo er auf sein Verlangen zur Kapelle kam und sich mit Leidenschaft der Musik hingab, die er, sowohl wie sein Talent für Poesie, wahrend seiner zweijährigen Garnisonzeit in Versailles zu pflegen und auszubilden Gelegenheit hatte.

Nach siebenjährigem Militairdienst nach Mülhausen zurückgekehrt, verheirathete er sich bald und trat als Retoucheur in das in unserer Stadt so wohlbekannte photographische Atelier des Herrn Eugen Kohler-Dietz.

Bis zum Kriegsjahr I870 hatte Lustig seine Musestunden dazu verwendet, in französischer und hochdeutscher Sprache zu dichten: diese Versuche aber, so ehrenwerth sie auch sein mochten, gaben immerhin noch nicht den richtigen Begriff eines Talentes, das unter den gegebenen Umständen plötzlich wachsen und ans Licht treten sollte. Wie die meisten seiner nicht ausgewanderten Mitbürger ward auch Lustig von einer Art Heimweh beschlichen nach der alten Muttersprache, den lieben Sitten und Gewohnheiten, die trotz zweihundertjähriger französischer Oberherrschaft in Elsass unverändert geblieben waren und die unter der neuen, stramm vorgehenden Regierung von rascher Zerstörung oder wenigstens ernster Veränderung bedroht schienen.

So begann Lustig der heimischen Muse zu huldigen und wusste dem rauhen Sundgauer Dialect, der, vermischt mit dem schweizerischen, unser « Milhüserditsch » bildet, einen packenden, eigenartigen Reiz abzugewinnen. Seine ersten Arbeiten erschienen im Jahre I875 unter dem Titel « Luschtige Milhüser Vàrs. »

Es war für die Gebildeten wie für die Ungebildeten eine wahre Offenbarung. Der Erfolg des reizenden Werkchens war sehr gross und die Auflage schnell vergriffen. Nach weniger als einem Jahre veröffentlichte Lustig eine zweite Reihe von Gedichten, und so bereicherte er unsere Mülhauser Litteratur jedes Jahr mit einem neuen Werke, das immer den gleichen Erfolg hatte. All' seine Schöpfungen bekundeten ein sehr bedeutendes lyrisches und dabei kraftvolles Können, seine Gefühle äussert er in lebhaftem blühendem Stile. Die philosophische Kritik und das Idyll berühren sich auch in der leichtgeschürzten Muse und bezeugen dadurch ein sehr reichhaltiges und nicht gewöhnliches Talent.

Die dramatische Kunst musste die Einbildungskraft eines Mannes wie Lustig sympathisch berühren, und so gab die Theatergesellschaft des ehemaligen Cercle Mulhousien im Jahre 1879 denn auch sein erstes Singspiel: « Drei schwarze Liebschafte. » Weitere Theaterstücke folgten und erzielten alle einen ungeheuern Erfolg.

Wer erinnert sich nicht in Mülhausen jener allerliebsten Abende im Cercle Mulhousien, wo die arbeitende Classe ihre wohlverdiente Erholung fand und mit Wonne sich etgötzte an den ebenso erheiternden wie belehrenden Werken ihres Lieblingspoeten!

Längere Jahre hindurch war dieser Erfolg ein allgemeiner; die meisten unserer Choral- oder Instrumental- gesellschaften gaben das eine oder andere Stück Lustigs, dessen Popularität von Tag zu Tag zunahm.

Während mehrerer Jahre war Lustig Mitarbeiter der Local-Zeitungen « Mülhauser-Tagblatt » und « Express. »

Nie ist Lustig durch seine litterarischen Erfolge eitel geworden. Sehr bescheiden von Natur lebte er nur für sein Heim und seine Familienfreuden. Unglücklicherweise liess in den letzten Jahren seine Gesundheit viel zu wünschen übrig.

Das grausame Uebel, das sein Leben untergrub und dem seine Erwerbsthätigkeit leider noch Vorschub leistete, zwang ihn zu gesundheitlichen Rücksichten, wie tägliche Spaziergänge in frischer Luft usw., und so war denn sein Lieblingsaufenthalt unser Rebberg und der schöne Tannenwald, wo man ihn jeden Abend in den Schattengängen wandern sah, deren grüne Einsamkeit ihn zu seinen schönsten Liedern begeisterte. Lustig war ein leidenschaftlicher Naturfreund und liebte mit einer Art Andacht die prunklosen Feldblumen.

Während dieser Periode seiner Existenz hatten wir Gelegenheit, den prächtigen Menschen näher kennen und seine gerade, ehrenwerthe Art schätzen zu lernen.

Die unheimliche Influenza gab dem schon angegriffenen Organismus Lustigs den Gnadenstoss, ein hartnäckiger Lungencatarrh untergrub von nun an seine ohnedies geschwächte Gesundheit, sodass die Freunde des Mülhauser Poeten in seinen letzten Lebensjahren öfters ein plötzliches Ende befürchteten. Seit dem 15. August 1893 musste er auch seiner gewohnten Beschäftigung entsagen, nachdem er längst seine Feder niedergelegt hatte, der er seine gesundesten Erholungen und seine süsseste Befriedigung verdankte. Er erlag vergangenen Winter einer letzten Crise, und es war am 2. Januar dieses Jahres, als der liebenswürdige und geistreiche Dichter zur ewigen Ruhe einging, die er so lange ersehnt hatte; denn Lustig hatte sich keine Illusionen gemacht über seinen Zustand und als wahrer Philosoph dem Tod mit Ruhe und Entsagung entgegen gesehen, wie dies aus den Zeilen eines seiner besten Gedichte erhellt, das als Grabschrift auf seinem Denkmal eingegraben werden soll:


Dr einzig Wunsch, wo-n-ich noch hätt,
Thàt alles fertig mache:
Ischlofe riehig z'Nacht im Bett
Un nimmig meh verwache.


Lustig hatte übrigens jenen herrlichsten Trost, der nur wenigen Auserwählten zu Theil wird, nämlich den, weiterzuleben in seinen Werken.

Noch viele Generationen werden sich ergötzen an den reizenden Gedichten Lustigs und seinen geistreich originellen Einfällen.

Wir aber zeichnen hier mit tiefster Rührung diesen so wohlausgefüllten Lebenslauf des Freundes, den wir verloren, und es gereicht uns zum Troste, ihm diese warm empfundenen Zeilen zu widmen, in treuer Erinnerung der freundschaftlichen Bande, die uns vereinten. Zur Vervollständigung dieser biographischen Notizen bleibt nur, noch anzufügen, welch berechtigt schmerzlichen Eindruck Lustigs Tod auf alle Classen unserer Bevölkerung ausübte.

Freunde und Bewunderer des geliebten Verstorbenen bildeten ein Comité, das den Zweck hatte, eine Liste zu veröffentlichen, deren Unterschriften zur Errichtung eines Denkmals auf dem Grabe des Poeten und zur Herausgabe eines Prachtbandes seiner Dichtungen und dramatischen Werke beitragen sollten.

Und der Ruf verhallte nicht ungehört. Cercles, Musik- und Gesangvereine sowie einfache Bürger beeilten sich, demselben Folge zu leisten, und den vereinten Gaben Aller verdankt es das Comité, sich heute in der Lage zu sehen, dem zu früh verblichenen Dichter ein dauerndes, seiner würdiges Denkmal zu weihen.

Mülhausen, I895

E. M.