Text:Friedrich Theodor Vischer/Nicht I, a/III. Aufzug

III. Aufzug.

Erster Auftritt.

Pfarrstube. Tafel gedeckt. Pfarrer. Pfarrerin. Luise. Vetter. Lieutenant. Vikar. Frau Pfarrerin weist die Plätze an. Luise zwischen beiden Gästen.

Frau Pfarrerin. So, meine Herre, jetzt nemmet Se ebe vorlieb. Mer sind auf'm Land. Mer wollet sehe, wie unserem Herr Berliner die schwäbisch' Kuche zuesagt, insbesondere d' Spätzle, die werdet em ebbes Neu's sĕi.

Pfarrer. Wir wolle auf e Stund' d' Politik vergesse. Komm', was komme mag, wenn mer was Fests im Mage hat, ist mer g'faßter.

Frau Pfarrerin (zum Vetter). I weiß net, ob Ihne die Brisles-Supp' schmecke wird, i hab' schŏ g'hört, in Norddeutschland eß mer d' Supp' gern süeß.

Vetter. Wohl wahr, verehrte Frau Base, surement, doch mögen wir auch Gesalzenes – gleich zu gleich, wir sind auch gesalzen.

Pfarrer. Jetzt saget Se, wie g'fällt En denn unser Süddeutschland? Kann sich's net sehe lasse?

Vetter. Reizend, malerisch, lachend, weich und zugleich großartig, romantisch vom Mildromantischen bis zum Wildromantischen. Ich könnte unser Potsdam, Wansee,Tegel, den Spreewald nennen, aber den Preis geb' ich franchement den Rheinlanden und Schwaben. Diese Natur macht auch so ganz den Eindruck, daß hier naive, liebenswürdige Menschen wohnen müssen. Nicht wahr, liebes Cousinchen? Bitte stoßen Sie darauf an, die liebenswürdigen Schwäbinnen sollen leben! (Stoßt an, – halb flüsternd:) Und zur Verschönerung des Nachtischs ein Schmollis und Küßchen dazu, nicht? Was?

Vikar. Meine Sie, d' Mannsleut' hierzuland seien auch so liebenswürdig? D' Schwabe hättet kĕi Schneid? O, se könnet schŏ au beiße.

Vetter. Na, hören Sie mal, mein Herr, mein guter Herr, 's wird wohl nicht so gefährlich sein. Schon der Dialekt klingt ja so gemüthlich, so urgemüthlich, so rund ohne pointe, ich möchte sagen, so zahm, so kindlich –

Vikar. Jetzt, Herr, erlaubet Se, kindlich, zahm, des –

Lieutenant. (ihn zupfend, zurückhaltend, spricht das folgende ganz berlinerisch). Nun, geehrter Herr, wir sind an unsern Dialekt so – eng nicht gebunden, wir können auch mit Hochdeutsch passablement aufwarten. Ich kenne Berlin gut und gestehe, es wundert mich nicht, daß die Herrn Berliner ein starkes Selbstbewußtsein haben.

Vetter. Eh bien, so gefallen Sie mir, Herr Lieutnant! So was hört man mal gerne. Sie sprechen aber auch ein so reines Deutsch, daß ich vermuthe, Sie seien nicht geborner Schwabe. Wohl im Norden geboren? Wie?

Lieutenant. Hắă.

Vetter. Will sagen nein? Also doch in Schwaben?

Lieutenant. Hăhắ.

Vetter. Wie? Ja? Na, das wundert mich.

Lieutenant. Hahà!

Vetter. Bitte, zu welcher Sprache gehört nun das? Chinesisch?

Lieutenant. Nur ein bischen Schwäbisch zur Abwechslung. – Fahren wir hochdeutsch fort! – Metropole der Bildung, feinste Destillation, Quintessenz, Extrakt des in der Menschheit zerstreuten Verstandes, Brennpunkt aller Radien der Weisheit –

Vikar. Ja, in Berlin weiß der Bueb, wenn er 's ABC g'lernt hat, e g'scheidters ABC, als der Bueb in Stuttgart oder München, dȃ ist 's Hüele, des nŏ die halb' Eierschaal' am Bürzel rumträgt, g'scheidter, als der Gockel bei uns –

Lieutenant. Sitz der feinen Ironie, die alles als naiv belächelt, was nicht sie selbst ist.

Frau Pfarrerin. Herr Leutnant, Se esset jȃ fast nex; die zarte Rettichle und den Kressich kann i Ihne empfehle.

Vetter. Nanu, Herr Lieutnant –

Frau Pfarrerin. Geltet Se, Herr Vetter, Sie esset lieber ebbes Süeß zum Rindfleisch, möget Se net gern eig'machte Quitte? Se sind von unserer Kammerz.

Vetter. Danke, danke verbindlichst – Sie belieben, selbst ironisch zu werden! Gratulire auch zum witzigen Sekundanten, dem Herrn Vikar. Na, wollen wir mal im Ernst reden? Nicht von Bildung und Intelligenz? So von einer andern Art von Geist? Bischen von Kriegszeiten? Na, wie war's zum Exempel bei Jüterbogk? Wem dienten die Württemberger und – na, wie gieng's ihnen? Wie? Haben Sie die württembergischen Fahnen über der Kanzel in Potsdam gesehen – Wie?

Lieutenant. Mein Herr, ja, da ist der Spaß zu Ende!

Frau Pfarrerin. Herr Leutnant, verschmähet Se mer doch meine Göckele net, i mĕi, se seiet recht brȃte, net z'hart, net z'weich. I mĕi, 's müeß' guet schmecke zu de Schwarzwürzele.

Lieutenant. Danke, danke – Ich lasse mir meine Armee, wie klein sie ist, nicht verspotten. Weiß Gott, wie wir's beklagen, daß wir einst im Rheinbund fechten mußten; aber vergessen Sie die Kettenglieder der Geschichte nicht, nicht die alten Sünden Preußens vom Basler Frieden an, deren Frucht Süddeutschlands Sünden waren, und übrigens, weiß Gott, wir haben nachher in blutigen Kämpfen unsere Schuld, wenn es eine ist, mit Blut gelöscht. Man soll alte Wunden nicht aufreißen, es ist unedel. Will's Gott, wir fechten einst noch zusammen. Soll aber einmal von Politik die Rede sein, dann auch ein Wort von innern Zuständen! Wo ist Euer Verfassungsleben?

Vetter. Das königliche Wort ist gegeben.

Lieutenant. Da, neuestens beim Theater-Umritt mit der deutschen Fahne?

Vikar. Dem Kunstreiter-Aufzug?

Vetter. Ich lasse mir meinen verehrten König nicht verspotten –

Pfarrer. Aber, Herr Vikar!

Frau Pfarrerin. Aber, Herr Leutnant!

Luise. Aber, Herr Vetter!

Pfarrer. Heut geht's gut her, d' Spätzle sind au ăbrennt!

Vetter. Wir sind ein Staat, Ihr seid unsre künftigen Provinzen. –

Lieutenant (fährt auf). Jetzt –

Vikar (fährt auf). Jetzt ist Heu g'nueg hunte!

Pfarrer. Die Tafel ist aufgehoben!

(Alle stehen auf.)

Lieutenant. Entschuldigen Sie – meine Anfwallung, verehrter Herr Pfarrer, verehrte Frau Pfarrerin, ich bin Ihr Gast, ich hätte die Erörterung verschieben sollen. Ihr Diener.

Vetter. Auch ich bitte um Vergehung! Man vergißt sich leicht im échauffement – pardon! pardon!

Vikar. Herr Dekan, mir thut's au leid! Mer ist eben au e Mensch! Was z'viel ist, ist z'viel.

Pfarrer. Herr Vikar, wir spreche noch drüber. (Zu Lieutenant und Vetter.) Nŭ ja, meine Herre, 's wird jȃ versause. (Abgehend leis zu Luise:) Bring' mer des halb' Göckele und de Wĕi in mĕi Stub'; dȃ braucht der Magen nŏ e Stärkung.

(Pfarrer, Frau und Luise, das Verlangte tragend, ab. Lieutenant ab.)

Vikar (für sich). Zum Schmollis ist's Gottlob nemme komme.

Vetter (unter der Thüre). Na, noch ein Wort mit Ihnen, Herr Vikar! Der Herr Lieutnant war gereizt als Militär, hat sich aber selbst revanchirt, Sie – haben ihm unnöthig so brusquement sekundirt. Sie sind nicht gutmüthig, wie plumpe Leute sein sollten, Sie sind ein Karnikel! (schnell ab.)

 
Zweiter Auftritt.

Vikar allein.

Vikar (nach einer Pause von Verdutzung). I glaub', der ist grob g'wese. (Wieder Pause, dann heftig auf- und abgehend.) Höret Se, 's ist wȃhr, i hab' Ihne scharfe Wort gebe, aber Sie sind glei vom erste Augeblick ŭverschämt gege mi gwe gwe. Ich will Ihne was sage: Sie sind ein eingebildeter, dünkelhafter Mensch, ein widerwärtiger Mensch, ein unausstehlicher Mensch, ebensosehr auch ein geistloser Mensch. Warum? Das will ich Ihne sage: grad darum, weil Sie meinet, Sie habet de Geist mit Löffel g'fresse. Sie sind ein naturloser Mensch; wer kĕi Natur hat, hat auch keinen Geist. Ganget Sie heim in Ihr' Sandwüste, dȃ g'höret Sie hin. Unsere Mädle sind net für Euer ein'n – trinket Sie Weißbier und Schnaps derzu, oder mĕitwege schlotzet Se Guetle beim Kanditer, daß Se Ihrn innere Essigkolbe versüeßet. – – – So, der hat sĕi Sach'! – (Bleibt plötzlich stehen, sieht sich um). – Ja so! (Ab.)

 
Dritter Auftritt.

Pfarrerin und Luise, wieder in das Speisezimmer tretend.

Frau Pfarrerin. Se sind fort. Mer wöllet jetzt de Tisch abdecke. D' Stub' kommt mer wie Schlachtfeld vor. Jetzt krieget se au kein' Kaffee, 's g'schieht en recht, de Kerle. Jetzt trinket mern allĕi, kăst nȃ au glei nŏ e Bröckele Zigore nĕi thŭ. I bin b'sonders em Vikare bös. Der ist so plump drĕitrappt. Ich zitter nŏ an alle Glieder.

Luise. I weiß doch net, liebe Mame, der Vetter ist vom erste Augeblick ă spitzig gegen en g'wese, des thuet weher, als Grobheit, des reizt arg. Und er hat sich ebe au sĕi's Schwȃbelands ăg'nomme und des ist recht.

Frau Pfarrerin. Ach was, die pur Eifersucht hat's em ĕigebe.

Luise. Die mag derbei sĕi, und 's hat mi verzürnt, und i hab' en au drum plȃgt. Aber sie kommt doch am End' von der Liebe, er hat ebe Feuer. Und jetzt dauert er mi, alles ist jetzt auf ihn nĕi, und der Pape wird em aufs neu' bös sĕi und wird vergesse, wie wacker er sich in der G'fȃhr g'halte hat und nŏ hält.

(Es klopft.)

Frau Pfarrerin. Herein!

 
Vierter Auftritt.

Soldat mit einem Papier. Die Vorigen.

Soldat (eilig). Wo treff' ich Herrn Lieutenant Schmied?

Frau Pfarrerin. Gang, Luisle, zeig' em sĕi Stub'. Aber was gibt's denn?

Soldat. Soviel i weiß, hat der Herr Lieutenant Befehl, ohne Verzug mit seiner Mannschaft zum Regiment ĕiz'rücke.

Frau Pfarrerin. O Jeses, des wird jȃ heiße, der Feind sei dȃ.

Soldat. Kă sĕi, kă sĕi. (Ab.)

 
Fünfter Auftritt.

Frau Pfarrerin (die Seitenthüre öffnend). Mann! Mann! Komm' schnell!

Pfarrer (eintretend). Was gibt's denn?

Frau Pfarrerin. Der Herr Leutnant mueß schnell zum Regiment.

Pfarrer. Was isch nȃ?

Frau Pfarrerin. Was 's ist, was 's ist, was 's ist?

 
Sechster Auftritt.

Lieutenant Schmied mit einem geöffneten Schreiben. Die Vorigen.

Lieutenant. Herr Pfarrer, Frau Pfarrerin, ich komme schnell, Ihnen verbindlichst für alle gastliche Güte zu danken, ich habe Ordre, augenblicklich zum Regiment abzumarschiren. Dieß bedeutet ohne Zweifel, daß die Franzosenschar nahe ist. Es wird die Aufgabe sein, sie noch zu erreichen, ehe sie in die nächsten Dörfer einbricht. Ich habe keine Minute zu verlieren. Noch einmal den wärmsten Dank, leben Sie wohl! (Ab.)

 
Siebenter Auftritt.

Die Vorigen Vikar. Madele.

Vikar (schnell eintretend). Hör' i recht, um Gotteswille!

(Lärm auf der Straße.)

Madele (hinter ihm hereineilend). O, o, o! 's ganz' Dorf ist in Schrecke und Todesangst. 's hoißt, se seiet nŏ nŏ e Stund' weit weg; 50 bis 50,000 Mann seiet's, se verüebet Greuel, 's sei net zum sage, brenne, plündere, morde, Kinder uf d' Bankenet spieße.

Frau Pfarrerin. Ach, lieber Gott, nŏ schnell ĕipackt, alles in Keller, 's Silberzeug, 's Weißzeug! Ach Gott, ach Gott, mĕi's Luisles schöne Aussteuer, dȃ wird sich jetzt des Franzoseg'sindel Hemeder und Hose draus schneide! Ach, jetzt heißt's, der Herr hat gegeben, der Herr hat's genommen!

Pfarrer. Mĕi Bibliothek! Meine Predige, Auszüg' aus der Kircheg'schicht! Meine Kirchebücher! Mĕi Dogmatik vom Bretschneider und meine Kapitalbrief!

Frau Pfarrerin. Und wo thuet mer nŏ 's Mädle hi?

Madele. Jȃ, uf d' Mädle seiet se b'sonders wüethig nĕi.

(Es wird Sturm geläutet.)

Frau Pfarrerin. O je, jetzt wird gar Sturm g'litte!

 
Achter Auftritt.

Vorige. Vetter.

Vetter (eilig eintretend). Schrecklicher Moment! Aber Muth! Muth! Rasch! Ich helfe retten!

Frau Pfarrerin. Nŏ schnell emȃl an d' Käste, an d' Kommod!

Pfarrer. Nĕi, an d' Bibliothek!

Frau Pfarrerin. De groß' Schatull mit de Kapitalbrief' in de Keller nunter! 's Weißzeug derzue!

Vikar. Nĕi, zuerst d' Persone rette, flüchte!

Madele. Meine zwoi Gäs aus em Stall g'lău, ins Wasser triebe!

(Es entsteht ein Durcheinanderschreien und Rennen, daß man kein Wort mehr deutlich vernimmt. Dazu fortwährendes Sturmläuten).

 
Neunter Auftritt.

Die Vorigen. Lieutenant.

Lieutenant (hereinstürmend). 's ist nex! (Niemand hört, lauter:) 's ist nex! (Noch lauter:) 's ist nex! – Dȃ mueß en anders Mittel helfe! (schnell ab, nach wenig Minuten, während deren die Verwirrung fortdauert, zurück mit einer Pistole, er schießt sie über die Köpfe ab, alle fallen zu Boden außer dem Vikar und Vetter. Der Vikar will Luisen beispringen, der Vetter kommt ihm zuvor und richtet sie auf.)

Vikar (für sich). So, b'haltet enander; 's ist nŏ guet, daß mĕi Ĕigab' um Versetzung uf en anders Vikariat schŏ fertig liegt.

Lieutenant. Bitte dringend, das Schreckmittel zu verzeihen, es gab kein anderes, niemand hörte. Es ist nichts. Bestimmte Nachricht, daß alles von vornherein blinder Lärm ist. Das Regiment marschirt ab. Das Land ist außer Gefahr.

Alle. Ah!

Lieutenant. Noch einmal herzliches Lebewohl und herzlichen Dank für alle Güte und Gastfreundschaft. (Reicht allen die Hand.) Ich glaube, unser Marsch geht ins Badische, dort pfupfert's, es droht ein Aufstand.

Vikar. Adje, Paukerle. Mir ist's doch Angst um Di.

Lieutenant. Gang mer, des gibt bloß en Zwetschgefeldzug. I hoff', i erleb' nŏ en andere. (Leise.) Komm g'schwind e Stück mit mer; i mueß der nŏ en Auftrag an de Herr Vetter gebe.

(Lieutenant und Vikar ab.)

Pfarrer. So; jetzt wollet mer ausschnaufe, ich will mi in der Stille meiner Studirstub' sammle.

(Pfarrfamilie ab. – Vetter bleibt allein zurück.)

 
Zehnter Auftritt.

Vetter. Dann Bote.

Vetter. Der Sturm wäre vorüber, nicht der Sturm in meiner Seele. Fortreisen von Haus, auf den Wunsch des Vaters, im Schwebezustand meines Schicksals! Hier niemand mein Herz ausschütten können! Cousinchen den Hof machen müssen und Ida, nur Ida im Herzen!

        Nur wer die Sehnsucht kennt,
        Weiß, was ich leide!

(Es klopft.) Herein!

Bote (mit Ranzen). Sie sind doch der Herr Jurkand Klemmle?

Vetter. Juris Kandidat –

Bote. Da wär' e Brief an Sie. Postzeiche Berlĕ –

Vetter. Gieb! Gieb! (Die Adresse besehend.) Ihre Hand! Bote des Himmels, geflügelter Merkur!

Bote. Fliege wenn i könnt', wär' mer schău lieber, als im Dreck stampfe. Im Himmel wur i, will's Gott, kĕi Bot' mĕ sĕi. De Merkur han e schŏ em Herr Pfarrer abliefert. (Will abgehen.)

Vetter. Da, da nehmt. Trinkt auf mein Wohl!

Bote. O! braver Herr! Vergelt's Gott! (Ab.)

 
Elfter Auftritt.

Vetter allein.

Vetter. Oeffne dich, versiegeltes Geheimniß! Meine Hand zittert! Trüge mich nicht, frohe Hoffnung! (Oeffnet und liest.)

»Mein Odomar! Es ist; wir sind. Dieß Eine Wort sage alles! Keine Blumenphrasen, kein Parfum, dafür sind wir blasirt. Nur Liebe, bejahte Liebe ist wahres Sein! – Bedenken der Eltern mit Hilfe Deines glänzenden Examens und geistreicher Beredsamkeit Deines Vaters endlich besiegt, – junkerliches Garde-Offiziers-Ideal, Strudelwitz- und Prudelwitz-Ideal endlich geopfert, harte Herzen geschmolzen, – begriffen, daß in Bürgerthum auch Adel, esoterische Aristokratie, Geistritterthum. Anstoß wegen Namens besprochen. Dein Papa endlich entschlossen, in Aenderung einzuwilligen; Vorschläge: Clamberg, Claminsky, Chiamelli. Wähle, entscheide! Abend mit Eltern und Deinem Vater bei einer Bowle Ananaspunsch – Duftschwingen, Stimmungsbild. Du nun meine Garde! Mein! – Komm, eile, schwebe, fliege nordwärts, ich jetzt Dein Süden, Ida mehr als Schwaben, Ida – gestatte den süßen Kalauer – Ida Dein Idalien! Fühle ihren Geistkuß! Dein, Dein!«

(Er küßt den Brief.)

Jubel des Jubels!

(Er tanzt im Kreise herum und prallt auf den eintretenden Vikar.)

 
Zwölfter Auftritt.

Vetter und Vikar.

Vikar. Oha!

Vetter (umarmt und küßt ihn stürmisch). Laß Dich umarmen, Bruder! Theile mein Entzücken!

        Seid umschlungen, Millionen!
        Diesen Kuß der ganzen Welt!

Vikar (sich sträubend). So lasset Se me doch gĕ! I mag kĕi so Kußerei! Bei uns kußet sich d' Mannsleut' net. (Es entsteht eine Art Raufkampf. Nachdem dieser zu einigem Stillstand gelangt:) Ich komme, um –

Vetter. Juble mit mir! Ida, Ida ist mein!

Vikar. Es handelt sich um kĕi Ida, vielmehr um die da im Pfarrhaus – zuerst aber zu mei'm Auftrag: Herr Lieutnant Schmied bietet Ihnen, wenn Sie sich beleidigt glauben, Satisfaktion an. Aber mi habe Sie auch beleidigt; Karnikel ist Tusch. Ich weiß zwȃr net, was e Karnikel eigentlich ist, aber g'schimpft mueß 's sĕi, descht klar.

Vetter. Na, hören Sie mal, Sie sind doch vorher schon gerade auch nicht höflich gewesen –

Vikar. Sie habe mi zuerst verspottet –

Vetter. Na, wissen Sie, Sie sind doch von Anfang an eklig gegen mir gewesen.

Vikar. Nĕi, Sie gege mi.

Vetter. Nanu, nu hören Sie mal, wir Berliner sind so ein wenig spitz, aber im Grunde doch ganz gutmüthiges Volk, bons enfants, wir krallen so ein wenig, aber das ist ja gar nicht so blutig gemeint –

Vikar. Es mueß raus, Se wöllet mer au des Mädle wegstipize –

Vetter (lacht auf).

Vetter. Lachet Se net, oder i werd' ganz wild!

Vetter. So hören Sie doch, warum ich lache. Sie machen sich ja so übermässiges Herzweh – das ist ja nur vetterliche Artigkeit, ist nur comment mit Bäschen, gemüthliche Façon, ich liebe ja, liebe meine göttliche Ida. Also lustig, zwei glücklich Liebende!

Vikar. Ach lieber Gott, lang net 1½.

Vetter. Wie das? Wie das? Nu! nu! Thut mir leid, wirklich leid. Wo fehlt's? Stiften wir Frieden, versöhnen wir uns, ein Glücklicher möchte alle Welt glücklich wissen. Vielleicht kann ich ein wenig helfen, erbiete mich zum Vermittler, parlementair. Vertrauen Sie mir, eröffnen Sie mir – es ist nicht Neugierde, lassen Sie mich wissen.

Vikar. Nu ja: so soll's voll raus! Der Vater will net, partout net, er hat de Kopf aufgesetzt, er nehm' kein' zum Schwiegersŏh, der net im Examen I, a gemacht hat.

Vetter. Na, sieh da, merkwürdig, mit wenig Unterschied wie ähnlich! Wir sind ja ordentlich Menächmen. Mein Examen zwar gut ausgefallen, aber Ida's Vater auf Adel verpicht, auf flotten Namen, wollte nicht nachgeben, – jetzt Eis geschmolzen, Ida mein – lassen Sie sich's gutes Omen sein. Frisch voran, Kopf oben! Kourage!

Vikar. Ach, an Kourage fehlt's net, aber, aber –

Vetter. Na, was denn?

Vikar. Aber wenn Sie mi wieder auslachet –

Vetter. Ne, ne, auf Ehre nicht mehr!

Vikar. 's Mädle! Händel hemmer. Grad über Ihne ist's ăgange, 's ist fast so guet als alles aus.

Vetter. Hab' wohl gemerkt, daß es spukt, na, na, will's gut machen – Da lassen Sie nur mich – – als postillon d'amour –

Vikar. Nex, nex! Kĕi Fürbitt'! Dȃ heißt's: Hilf der selber! Jetzt, werd's wie's werde mag, z'erste mueß sie's g'hörig spüre, die Hex, daß sie mi so plȃgt hat! I laß's auf's Aeußerste ăkomme –

Vetter. Nanu, man zu, nur nicht gar zu blutdürstig! Aber wir zwei sind im Frieden? Nicht wahr? Was? Hier meine Hand –

Vikar (schlägt zögernd ein). Ja, aber halt, mĕi Auftrag von mĕi'm Freund, Lieutnant Schmied! Was soll i ihm schreibe?

Vetter. Na, gefordert auf Kriegsschiff, Armstrong, Panzerfregatte, Torpedos –

Vikar. Jetzt spottet Se schŏ wieder!

Vetter. Nu, einen schönen Gruß an Herr Lieutnant, ich denke, wir seien quitt, er hat mir was zu verzeihen und ich ihm. Ich hätte nicht sollen sein militärisches point d'honneur reizen, er nicht mein preußisches! Friede mit aller Welt ist heute meine Parole! Und noch einen schönen Gruß von wegen das, was ich ihm über die Rheinbundszeit Unangenehmes gesagt: schreiben Sie ihm, ich hoffe, daß die Zeit komme, wo wir alle miteinander auf den gemeinschaftlichen Feind schlagen und die deutsche Einheit heraushauen! Ihren Arm darauf!

Vikar (gibt ihm den Arm). Nŭ ja, 's soll gelte.

(Arm in Arm ab.)

 
Dreizehnter Auftritt.

Pfarrer, dann Pfarrerin.

Pfarrer (mit einem Blatt in der Hand). Jetzt wolle mer sehe.

Frau Pfarrerin (eilig eintretend). Weißt's schŏ?

Pfarrer. Was denn?

Frau Pfarrerin. Der Vetter hat en Brief kriegt von Haus – der Spitzbub hat's ganz verborge g'het, daß er en Schatz hat – er hat jetzt 's Jawort. – Was mĕist jetzt zu dem Vorgang?

Pfarrer. Jetzt gibt's Wichtigers, dȃ ist der Merkur.

Frau Pfarrerin. So recht, jetzt glei guckt, ob der Artikel kommt!

Pfarrer (die Zeitung durchsehend). Er kommt! Er kommt! Lies mern vor!

Frau Pfarrerin (liest). »Vom Lande. Auch in unseren Gauen« –

Pfarrer. Heißt's: Gauen?

Frau Pfarrerin. Ja, dȃ steht's.

Pfarrer. Gauen; 's ist e schös Wörtle.

Frau Pfarrerin. »Auch in unseren Gauen herrscht bedenkliche politische Aufregung. Die stürmische Luft, die von Frankreich herüberweht, hat auch im Gebiete des oberen Neckars und der Steinlach die Gemüther mächtig bewegt. In nicht wenigen überschreitet die Leidenschaft die richtige, von der Vernunft gebotene Linie. Sie verlangen ein Maß von Freiheit, das mit der Ordnung im Staatsleben nicht vereinbar ist; ihre Köpfe sind erhitzt, sie träumen von Gewalt, bedenkliche Ausschreitungen sind zu befürchten, wenn die Wellen noch höher gehen. Möchten doch alle Besonnenen, sowohl einzeln als vereinigt, dahin wirken, die gefährliche Ueberreizung zu dämpfen, möchten sie doch namentlich durch Lehre und Ermahnung die verworrenen Begriffe der Volksmenge sichten und klären! – Was unsere Hopfenpflanzungen betrifft, so sind die Aussichten nach dem milden Winter gut; an den Reben kann man bereits Augen bemerken, die Repsfelder stehen besonders schön und lassen baldige Blüte hoffen.

Pfarrer. Der Artikel, der kann e bedenkende Wirkung thŭ.

Frau Pfarrerin. Mer wird em Verfasser nȃchfrȃge.

Pfarrer. Der Merkur ist e guets Blättle.

Frau Pfarrerin. 's kȃ einer fast sĕi ganze Bildung draus schöpfe und 's standet äls au so schöne Trauerbrief drin. – Mann, was soll i Dir heut' koche?

Pfarrer. Was gibt's?

Frau Pfarrerin. Der Metzger hat frische Brȃtwürst. Was mĕist, e bairisch' Kräutle derzue, Dĕi alts Leibessele? I mueß Di entschädige für die ăbrennte Spätzle neulich.

Pfarrer. Recht. Guet. Net übel! Brăt d' Würstle schö durch, weißt, so e bisle aufg'sprunge mag e's.

Frau Pfarrerin. Mändle, wie willst' s jetzt mit em Vikare halte? 's geht jetzt alles guet, sollt's dȃ net au –

Pfarrer. 's war' mer lieb, wenn Du mir die schwer' Frȃg' heut' vom Hals halte thätst, er hat mi zu allem nă schwer g'ärgert an dem tragische Mittagesse und 's Zeugniß kennt mer immer nŏ net.

Frau Pfarrerin. Er hat 's Haus vor de Räuber b'schützt, mer kann fast sage, 's sei e Heldethat g'wese.

Pfarrer. Des hab' i net vergesse. Aber des Verdienst steht mit dem, von was sich's dȃ handelt, in kĕi'm logische Zusammehang. Wenn einer Mueth zeigt, mĕitwege au zu mĕi'm Beste, so ist des recht schö, aber es folgt net draus, daß er mĕi Tochter kriegt. Weißt, i hab' Logik studirt, Du net.

Frau Pfarrerin. Er hat sich äußerst vernünftig benomme auf em Rȃthhaus und bei dene Ăstalte, um d' Ordnung im Dorf z' erhalte.

Pfarrer. Des hab' i au net vergesse, aber wie gesagt –

Frau Pfarrerin. Also nex, als immer wieder des Zeugniß? Guck, lieber Mann, i g'steh' Dir, i hab' au e Schwäche g'het. 's Vetters glänzends Examen und sĕi Aussicht auf e schöne Karrière hat mer in d' Nas g'stoche, – so e künftige Frau Oberregierungsräthe – vielleicht mĕh – –, aber meine fliegende Gedanke sind beschämt worde –

Pfarrer. Jetzt, mer weiß jȃ net emȃl, ob er nŏ um Ĕi Nummer nauf'kommen oder ob er net gar ganz durchg'fallen ist, über dem Getrieb mit em Mädle hat er jȃ fast nex studirt.

Frau Pfarrerin. Ach, warum net gar durchg'falle! Und wenn au nŏ mit der alte Nummer durchkomme – weißt, d' brave Männer wachset net wie d' Grumbire. Und gern hent se emȃl enander.

Pfarrer. Frau, mer verschwätzet jetzt nŏ unnöthig Zeit. Jetzt heißt's: vor der Hand warte. Se trutzet aber jă erst nŏ, ich hab's wohl g'merkt, er ist eifersüchtig, er ist eben au e leideschaftlicher Mensch.

Frau Pfarrerin. Hör' Du, weißt, was i glaub'? Du bist selber eifersüchtig, De gonnst em ebe 's Luisle net.

Pfarrer. Gustel, sei so guet und laß mi des net nŏh emȃl höre! Du sollst mir keine ŭwürdige Motiv unterschiebe; ich laß mi nŏ von würdige Motiv leite. Jetzt gang und sorg' für Deine Brȃtwürst'. (Ab.)

Frau Pfarrerin. Ach, ist der Mă sterch! (Ab.)

 
Vierzehnter Auftritt.

Pfarrgarten. Obstbäume. Blumenbeete. So viel Grün, als mit der Jahreszeit vereinbar. Hinten eine Laube. Luise. dann Vikar.

Luise (in leichtem Kleid, mit bloßen Armen, Blumenbeete gießend). Alles will raus. Die Primele und Krokus und Veigele sind hauße oder strecket schŏ d' Köpfle raus, aber beim Karl ist's nŏ Winter, er ist wie 'n Eiszapf. Nŏ, mer wöllet sehe, ob er net aufthaut.

Vikar (geht hinten über den Weg, Bücher und Papier unter dem Arm, Schreibfeder hinter dem Ohr, in trotziger Haltung, nicht umsehend; setzt sich in die Laube, stößt ein Tintenfaß mit Bolz in den Tisch und macht sich an die Arbeit.)

Luise. Er guckt gar net rüber. Er schreibt an seiner Predig. Wie macht mer's, daß er aufguckt? (Gießt fort, hält inne, macht sich etwas am Arm zu schaffen, wirft die Gießkanne weg und grillt laut auf.) Ah!

Vikar (quer über die Beete herbeispringend). Luisle, was isch?

Luise. 's hat mi e Wefzg in Arm g'stoche! Ach, weh!

Vikar. Feuchte Erde her! Oder halt: g'schabte frische Grumbir! Madele! Madele! Madele!

Luise. Schrei net so, bringst jȃ 's ganz' Haus in Alarm!

Vikar. Oder halt, i saug' Dir 's Gift aus, des han i schŏ g'lese, daß des hilft – (ergreift ihren Arm und sucht die Wunde.) 's ist kaum nŏ roth, 's ist merkwürdig schnell g'heilt.

Luise. D' G'schwulst kommt erst.

Vikar (saugt am Arm und geht in heftiges Küssen über). O Luisle, ist des en Arm!

Luise. Gang, laß me!

Vikar (umarmt sie und küßt sie auf den Mund). Luisle! Sei wieder guet, verzeih mer.

Luise (beides erwiedernd). Karl, sei wieder guet, verzeih mer! Aber gelt, bist in Zukunft nemme so eifersüchtig!

Vikar. O g'wiß net! Weißt, des hört auf, so wie i Di ganz und sicher han!

(Neue Umarmung.)

 
Fünfzehnter Auftritt.

Die Vorigen. Madele.

Madele (eilig). Was geit's? Doch kŏi Ŭglück? (Sieht die beiden, die sich noch umarmt halten.) Ja so! So stȃht's!

        Wach auf mein Herz und singe
        Dem Schöpfer aller Dinge –

O, lieber Herrgott, wie schön ist es, wenn Brüder einträchtiglich beisammen wohnen!

 
Sechszehnter Auftritt.

Die Vorigen. Frau Pfarrerin.

Frau Pfarrerin. Madele, was gibt's denn, daß Du vom Koche fortspringst? (Gewahrend.) Jaso! Ei, ei!

Vikar und Luise (sie gewahrend, lassen einander los. Pause der Beschämung).

Vikar. Frau Pfarrerin, Sie haben uns überrascht, es ist nichts mehr zu verhehlen. Ich bin der Schuldige, – meine stürmische Liebe – ich bitte um Verzeihung, aber auch um Ihren Segen.

Luise. Ach, Mame, liebs Mamele, verzeih, sei guet! (Umarmt sie.)

 
Siebenzehnter Auftritt.

Die Vorigen. Pfarrer, im Schlafrock.

Pfarrer (herbeieilend). Was ist denn los? (Gewahrend.) Ja was ist denn jetzt für e Rührungswese dȃ?

Frau Pfarrerin. Ach, lieber Mann, laß Der nŏ sage –

Vikar. Bitt', Frau Pfarrere, lasset Se mir 's erst' Wort, 's ist mir Ehresach'. Herr Spezial, Ihr' Frau Gemahlin hat mi mit Ihrer Tochter überrascht, wie wir, nachdem uns e längere Verstimmung entzweit ghet hat, uns versöhnt und in Arm g'nomme hent – jetzt bitt' ich bescheide und herzlich – (will sich ihm nähern).

Pfarrer. Drei Schritt vom Leib! I kann keine Sentimentalitäte leide, keine g'fühlvolle Auftritt! – Es liegt dȃ eine lange Reihe von Ungesetzlichkeite vor – Sie treibet schŏ lang en Liebeshandel und e Wese, e Gethue, e Geschäcker mit mei'm Luisle gege mein längst kategorisch kundgegebene Sinn und Wille – mei Autorität wird mißachtet – wer hat hier Gesetze zu geben? – I!

Frau Pfarrerin. O, lieber Mă, der Schiller sagt jȃ doch au »dem Herzen gibt kein Kaiser die Gesetze«, – also au kĕi Pfarrer oder selbst Spezial.

Pfarrer. Jetzt Schiller hi, Schiller her! I verlang en Schwiegersŏh, der I, a g'macht hat. Dȃbei bleibt's! e Mann e Wort!

Madele. Guck au, dȃ kommt der Bot', er torkelt, er hȃt en Rausch.

 
Achtzehnter Auftritt.

Vorige. Der Bote, betrunken, ein Papier in der Hand.

Bote. I bitt' tausedmȃl um Verzeihing, indem nämlich –

Pfarrer. Was ist denn des, Ihr hent jȃ en Rausch –

Madele. I woiß, der Herr Vetter mueß em e großmächtigs Trinkgeld ge hau, er hȃt g'jubelt und ist in Ochse g'loffe –

Bote. Nŭ ja, mer wird doch au emȃl – e Schöpple – wemmer so weit g'loffe ist – jetzt drüber hȃt sich dȃ der Brief in mein Ranze verschlupft, an de Herr Vikare –

Vikar. Her damit! Amtssiegel – muß vom Consistorium kommen – (Oeffnet, liest und reicht dann dem Pfarrer hin).

Pfarrer (liest).

»Der Kandidat der Theologie, Karl Werner, Vikar in Schusselfingen, hat bei der im Februar 1848 bestandenen Dienstprüfung das Zeugniß gut in der Klasse II, a erhalten und wird hiemit zur Uebernahme geistlichen Amts für befähigt erklärt.

    In Kraft u. s. w.«

(Gibt zurück.) 's langt net. Wär's wenigstens I, b!

Frau Pfarrerin. Mit dem Zeugniß kann mer Repetent werde!

Pfarrer. Behrich.

 
Neunzehnter Auftritt.

Die Vorigen. Der Vetter.

Vetter. Darf ich herbeitreten? Störe ich nicht? – mir scheint, ich finde die Familie in einem Moment, wo sie allein sein will, – doch sei mir vergönnt, rasch mein Glück zu melden – Verehrteste! ich bin glückseliger Bräutigam!

Frau Pfarrerin. 's hat verlautet, wer ist denn die Auserwählte?

Vetter. Ida, Ida heißt meine Wonne, Tochter des Geheimen Raths von Quirlewitz in Berlin. Sieg nach schweren Hindernissen, Sonnenhimmel nach Wolken –

Frau Pfarrerin. Wolke, ja wohl Wolke, des gibts dȃ au.

Vetter. Weiß, weiß – durch Vertrauen dieses braven jungen Manns! – Mein verehrter Herr Vetter, heute bin ich kühn, mische mich unerbeten ein, bedarf Nachsicht, wenn ich Fürbitte wage für treuliebendes Paar, und noch aus ganz speziell bedeutsamem Grund –

Pfarrer. Das wär' –?

Vetter. Analogie, Symmetrie des Aehnlichen, ideal sinnbildlicher Parallelismus, geheimnißvolle Symbolik –

Pfarrer. Sind Se so guet und schwätzet Se deutsch.

Vetter. Ich eile zur Erläuterung – kurz, ohne détail. Seit drei Jahren liebe ich die Himmlische, – nicht schnell erobert, aber enfin, der innere Magnetismus siegte. Aber Vater, Haus von altem Adel, wirklicher geheimer Regierungsrath, Träger verschiedener, schwarzer, rother Adler-Orden mit so und so viel Laub, braver Mann, aber ambitiös, wollte nur Junker, Garde-Offizier oder attaché oder Kammerherr oder Aehnliches zum Schwiegersohn, auch horreur vor Namen Klemmle. Bleibt unerbittlich Jahr um Jahr, Fels. Mutter aber vernünftig, ihre Bitten und Gründe, Idas Treue – mein gutes Examen – demosthenische Beredtsamkeit meines Vaters – gutta cavat lapidem – enfin Fels erweicht sich, schmilzt! – Nun, bitte, – en comparaison –, man hat mir gesagt, Repetenten seien auch so eine Art Garde-Korps, Elite, theologische Junkergesellschaft – bitte inständig, conséquence zu ziehen – faites l'application – innere correspondence der Fälle – providentieller Finger – Bitte, bitte schön, nicht länger grausam! entendriren Sie sich, wie Herr von Quirlewitz.

Madele (leis). Aber der Herr hȃt e Mundstuck!

Pfarrer. Des sind künstliche Vergleichunge, descht mer z' hoch, net für unguet, Herr Vetter.

Bote. Herr Spezial, der alt' Bot', der alt' Jakob möcht' au e Wörtle – nämlich von wege dem, daß er des Schreibe brȃcht hȃt und e Bot ist und d' Bote, Bo – Bo – sind so Apostel – Heilsbote – des hoißt – i will net ŭb'schoide sĕi – aber für de liebe Herr Vikare –

Pfarrer. Des könnt mer au nŏ brauche, daß d' ătrunkene Bote drĕi schwätzet, gang Er heim und schlȃf Er sein Hȃȃrbeutel aus.

 
Zwanzigster Auftritt.

Schultheiß mit Schulmeister, und zwei Bauern, alle in Sonntags-Anzug.

Schultheiß. Verzeihet Se, Herr Spezial, wemmer dȃ jetzt störet. Hingege nämlich mer kommet im Auftrag' der G'mĕind'. Es hat verlautet, der Herr Vikare wöll fort, er häb' sich um e Pfarrverweserei g'meldet. Mer bringet dȃ e Supplik an de Herr Spezial, er möcht' doch bewirke, daß mer de Herr Vikarius nŏ behaltet. D' G'mĕind' hat e große Ăhänglichkeit an e, weil er sich in dene stürmische Tag' durch sein Mueth und sĕi Festigkeit so e groß' Verdienst erworbe hat –

Schulmeister. Verehrter Herr Dekan, die Anhänglichkeit ist überdies schon vordem erworben durch äußerst ersprießliches Zusammenwirken mit dem Schullehrer-Amt, insbesondere ebenso klaren, als eindringlichen Religions-Unterricht; und wenn überhaupt Predigten eines jüngeren Manns an Salbung, Ueberzeugungskraft und logischer Disposition denen unseres verehrten Seelenhirten sich entfernt annähern können, so dürfen wir dieß von den Predigten des Herrn Vikar mit Grund aussagen.

Pfarrer (für sich). Net übel. Nett hinstellt. Ĕ neidiger Mensch thät jetzt eifersüchtig und bös werde. I net. Des net! Wenn sonst nex wär' – (Laut). Meine Herre, des ist mir neu, daß der Herr Vikar fortwill. Des geht net von mir aus. Herr Vikar, davŏ habe Sie mir jȃ nex g'sagt!

Vikar. Ach, Herr Dekan, es sind mer so Aeußerunge entfalle in traurige Stunde, wo so manchs z'samme komme ist, aber glaubet Se mer g'wiß, kĕi ungrads, unehrerbietigs Wort gege Sie ist über meine Lippe komme.

Frau Pfarrerin (leise zum Pfarrer). Die Leut' wisset net, was vorgange ist und um was sich's handelt. Aber laß Dir's recht sĕi, daß en d' G'mĕind' so gern hat, werd' em jetzt au endlich guet!

Pfarrer. Du meinst jȃ, 's lang jetzt zum Repetente; wenn's langt, kommt er jȃ grad fort!

Frau Pfarrerin. Des pressirt jȃ net, so e halbs Jährle kann er jȃ guet nŏ bleibe und kommt's an en, so gibt's kein schwere Abschied, wenn –

Pfarrer. Aber e lange Brautschaft gibt's, des kann i au net leide.

Frau Pfarrerin. Net emȃl, 's geht öfters e guets Helferat auf; – jetzt gang, lieber Mă, kĕi Aber mĕ!

Luise (dem Vater Wangen und Kinn streichelnd). Pappele, lieb's Pappele!

Pfarrer. Wart, Krott!

(Pause. Er kämpft sichtbar mit sich).

Mĕitwege!

(unter Freudenbezeugungen der Umstehenden fällt der Vorhang.)