Text:Rudolf von Tavel/Ring i der Chetti/Kapitel 45

Im Hondrich het men afa heue, und a de graue Muure vom Schloßgrabe hei sech d’Holderbüsch mit wyße Dolden afa decke, wo einisch gägen Aben e Bott vo Bärn ufe chunnt. Me gseht ihm scho vo wytem a, daß er nid guete Bricht het. Der Ritter lat ihm under der Linden im Hof Wy yschänken und list underdesse der Brief. D’Frou Änneli luegt ihm vo ihrem alte Platz am Fänschter zue. Undereinisch dunkt es d’Frou Jeanne, si luegi wi i mene Chlupf dert übere, und chunnt o a ds Fänschter. Der Brief lyt am Bode, und der Ritter steit da, wi wenn er uf öpper Unsichtbars los wetti.

D’Frou Jeanne geit abe, i Hof. «Was isch los?» fragt si. Der Herr Adrian nimmt dem Bott, wo ne derwylen ufgläse het, der Brief us der Hand, streckt ne syr Frou dar, aber zieht ne mit nere Bewegung wider zrück, wo wott säge: Ach nei, du channsch ja das nid läse.

D’Frou Änneli, ganz obenyne, chunnt am Stäcke derhär und macht gwundrigi Ouge.

«Jitz isch d’Freigrafschaft für üs verlore! — Aber das isch no Näbedsach», seit der Ritter. «Es het halt nid sölle sy. — Aber d’Franzose hei d’Stadt Dôle überfallen und alles ermordet, sogar Prieschter, Frouen und Chinder. — Schwyzer sy’s gsi i ds Chünigs Sold und di nidergmachti Bsatzig Schwyzer im burgundische Sold. — So het’s müesse cho... So het’s müesse cho... Ds Gäld isch sterker gsi als der Galge. — Vo der Ehr wei mer nid rede. — Jakob! — Jakob!»

«Was wottsch mit dem Jakob? — Er isch a See abe», seit d’Frou Jeanne.

«Sattle! — Ga Bärn mueß i!»

«Adrian! — Du wirsch doch nid...! Gället, Dir», chehrt si sech gäge Bott, «der bös Bräschte regiert doch no geng dunde?»

«Geschter sy wider bi mene Dotze Lüt beärdiget worde», antwortet der Weibel.

«Adrian, ghörsch?»

«Das isch mir nüt Neus», seit er. «Ga Bärn mueß i, uf my Poschte!»

D’Frou Änneli popplet mit ihrem Stäcken uf di steinigi Tischplatten und het ihm, währed d’Frou Jeanne und ds Eva mit groß ufgsperrten Ouge bättle: Blyb da! Gang nid! etgäge: «Adrian, du weischt, was auf dem Spiel steht! Was soll aus uns werde, aus deine Kindern?»

«Für mi heißt’s: Was söll us Bärn wärde, was us der Eidsgenosseschaft?» antwortet er.

Am Abe grate di beide Froue no einisch hinder e Ritter. Si mahne ne dra, daß e wältsche Prieschter, wo ne Schuldbrief uf ds Erb vo Lassarraz heigi, scho lang umenand strychi, und daß me sünsch no Schulde heig. «Machet ech doch mit däm nid Sorge!» antwortet er mit Lache. «Si säge ja, i heig emel sälber o nid nüt!»

Wi mit unsichtbare Hände het es ds morndrisch dem Ritter uf der letschte Höchi, wo me’s no gseht, welle der Chopf gäge ds Schloß zrückdräje — gäge guldige Hof; aber er het sech zwunge, nid z’luege, und isch mit dem Jakob und dem Bott gäge Bärn zue gritte.

Tag für Tag sitzt er wider im Rathuus. Was cha gscheh, für wyteri Schand und Schmach vo der Schwyz abz’wehre? Wär macht dem Unglück es Änd? Das lat ihm kei Rueh meh.

Am Jakobstag wird’s ihm z’mitts i der Sitzung so äng, so uheimelig. Er het ds Gfüehl, er redi nid, was er eigetlech well. Du bricht er ab und geit hei, a d’Junkeregaß. Er überleit no, ob er nid ga Spiez ufe welli; aber er merkt grad, es isch kei Red vo Ryte. Ds Fieber schüttlet ne. Ds morndrisch wird’s no erger.

«Jakob!»

«Ritter?»

«Mach dem Lütprieschter Bscheid!»

Der Erk isch so erschrocke, daß er dryluegt, wi wenn er sy Meischter nid verstande hätti. Aber dä blybt derby.

Am Abe sy beidi, der Prieschter und der Jakob, am Bett vom Ritter. Er diktiert ne der letscht Wille.

Es taget, und si sy beidi no da.

«Ritter», fragt am Morge der Erk, «söll i nid ga Spiez, ga brichte?»

«Blyb hie!» befihlt der Chrank. «Blyb by mer! Es het mer myr Läbtig niemer so guet ab den Ougen abgluegt wi du. Du tuesch mer se de zue, gäll?»

E länge schwäre Tag schlycht düre. Es blybt still im Huus. Me schüücht d’Hüser, wo d’Süüch ygchehrt isch. Numen under de Loubebögen uf der andere Syte vo der Gaß stande Lüt umenand. Si möchte wüsse, wi’s dem Herr Schultheiß geit, troue sech aber chuum bis a d’Hoftüre.

Gägen Aben isch der Ritter zwüsche Schlaf und Fieber und seit Sache, wo niemer begryft. «Ja, wenn me nüt hätti!» seit er es paarmal. «I mache’s nümme; aber er chunnt de, dä, wo nüt het. Däm lose si de. — Er isch underwägs. — Der Ring het gha. D’Chetti louft wyter. Jitz chunnt en andere dra.»

Es nachtet, und der Erk — er isch jitz ganz allei bi sym Herr — bringt e Lüüchter. — Da seit der Herr Adrian lut und fescht: «Wott uuf! — Sattle!»

Der Jakob richtet ne-n-uuf, gseht aber, daß i den Ougen öppis sech änderet. Si sy no uf ds Kruzifix a der Wand grichtet, und der Ritter seit: «Er hatt’ nit, da er syn Houpt hinleyt. — Het nüt gha — und alles — isch sys! Nüt als Negel und Dörn und — allne ghulfe!» Mit däm erlahmet di mächtigi Gstalt. Ds Houpt sinkt uf d’Bruscht.

Der Jakob leit ne-n-uf ds Chüssi zrück, lost und luegt — und lost — und du drückt er mit syne große, grobe Düüme dem Herr d’Ouge zue, und derby tropfe dem Knapp syni Tränen uf di schöni großi Stirne vom Ritter. — Dür ds offene Fänschter ghört me d’Aare ruusche.

«Sattle!» het er befole. «Ja, Herr Schultheiß, i gange!» Und der Jakob Erk tuet der schwärscht Ritt vo sym Läbe — ga Spiez.