Schtetl

e historischi autonomi Gmäinschaft vo Juude in Ortschafte in Ostöiropa

Under Schtetl, au Stetl, (jiddischשטעטל‎, schtetl, Blural ‏שטעטלעך‎, schtetlech; dütsch „Stedtli“) verstoot mä Siidlige in Ostöiropa vor em Zwäite Wältchrieg, won e groosse Däil vo d Iiwooner Juude gsi si.

Lachwa, Poole 1926

Charakter ändere

Mäistens het es sich um Dörfer oder Chliistedt ghandlet, mänggisch au um Stadtdäil, wo öbbe zwüsche 1'000 und 20'000 Juuden gläbt häi. Gröössere Stedt, wo jüüdisch brägt gsi si wie Lemberg oder Czernowitz, het me schtot (‏שטאָט‎) (vgl. dt. Stadt) gsäit. D Schtetl si vor allem z Ostpoole, z Gallizie, in dr Ukraine, z Wissrussland und z Litaue verbräitet gsi.

Im Underschiid zu de Groossstedt si d Juude in de Schtetl nit nume duldet gsi, sondern zum e groosse Däil au akzeptiert, au wenn s mänggisch Pogrom gege sä gee het. Si häi sich dört „wie in dr häilige Stadt Jerusalem“ chönne füüle,[1] und die Stedtli si käni Ghetto gsi.

Die aschkenasische Juude vo de Schtetlech häi mäistens Jiddisch gschwätzt. Si häi au mee an iire religiööse Dradizioone festghebt as d Juude in Middel- oder Westöiropa. An de Wäärtig häi d Chinder im Cheder gleert, am Sabbat und de jüdische Festdääg si die mäiste Juude in d Synagoge gange, wo uf Jiddisch „Schul“ ghäisse het, und au für d Chläider und d Frisuure het s e hufe Vorschrifte gee.

D Sozialstruktur vo de Schtetlech isch mäistens dur e bräiti Underschicht us mittellose Handwärker, Chliihändler und Daaglööner brägt gsi. Vilmol het en umvorstellbari Armuet gherrscht; was d Ufkläärig und s Industriizitalter de Lüt in Middelöiropa brocht het, isch fast spurloos an de Schtetl verbiigange. Vilmol häi d Hüüser nid emol e richdigi Häizig ghaa und d Siidlig kä Kanalisazioon oder deerti Stroosse. Aber wil messianischi Ändziterwartige wit verbräitet gsi si, häi vili Schtetliiwooner iiri brekääri materielli Laag mit Fassig akzeptiert. E hufe si aber vor allem in dr zwäite Helfti vom 19. Joorhundert usgwanderet und wäge däm het s hüte relativ vil Juude in Iiwanderigsländer wie de Veräinigte Staate oder Argentinie.

Däil vo dr nöije jüüdische Intelligenzija und vo de Maskilim häi sit em 18. und vor allem sit em 19. Joorhundert d Kultur und d Lääbenswiis vom Schtetl vilmol as rückständig verachdet und si as Resultaat vo Joorhunderte vo Diskriminierig und Ghettoisierig aagluegt. Au s Jiddische isch für si vilmol nume e rückständigi Schargon-Sprooch gsi. Erst am Aafang vom 20. Joorhundert häi mee und mee jüüdischi Intellektuelli und Schriftsteller die Kultur wider afo schetze. Si häi sich e positivs Bild vo dr jüüdische bzw. jiddische Schtetl-Kultur gmacht, wo denn as „authentisch“ woorgno und vilmol au verkläärt worde isch. Si häi im Lääbe im Schtetl literarischi Dänkmääler gsetzt, uf Jiddisch (Scholem Alejchem, Mendele Moicher Sforim, Isaak Leib Perez, Isaak Schtern) wie uf Hebräisch (Samuel Agnon) und Dütsch (Joseph Roth, Karl Emil Franzos). D Schtetl und iiri Iiwooner si in dr Shoah braktisch vollständig vernichdet worde. Noch em Zwäite Wältchrieg isch denn e positive und vilmol nostalgische Blick uf e Schtetl-Kultur populär worde, wo s eso gar nie gee het.

Gschicht ändere

D Gschicht vo de Schtetlech goot bis ins 12. Joorhundert zrugg, wo dr Bolesław III. Schiefmund de Juude, wo vor Verfolgige in Middel- und Westöiropa gflüchdet het, erlaubt het, sich im Köönigriich Poole niiderzloo. Polnisch-litauischi Aadligi (Szlachta) si au in de Joorhundert druf draa intressiert gsi, ass sich Juude uf iire Ländereie, in äigene Ortschafte aagsiidlet häi. Dene Ortschafte het mä uf Jiddisch Schtetl und bsw. uf Polnisch Miasteczko gsäit. D Motiwazioon vo de Juude, zum sich dört niiderzloo, isch s gsi, ass si dört gröösseri religiöösi und rächtligi Freihäit und besseri wirtschaftligi Mögligkäite gha häi. D Freihäite, wo alli Zuewanderer — nid nume die jüüdische — bechoo häi, si im Gegesatz zur Unfreihäit vo de liibäigene Buure gstande, wo au uf dene Ländereie gläbt häi. D Szlachta häi guet draa verdient, ass si Monopol und Briwilegie wie d Stüürpacht verpachtet häi. En oberste Läächemaa het die witer verpachdet, zum Bischbil s Rächt Alkohol z serwiere an meereri Bsitzer vo Wirtschafte udn Bäize. Äänligs het s für Müülene, Wälder, Imkereie und so witer gee.

Es isch aber au in Poole immer wider zu Pogrom choo, und dene si mänggisch ganzi Schtetlech zum Opfer gfalle. Noch de Däilige vo Poole vo 1772, 1793 und 1795 häi d Schtetlech äntwääder zum Russische Kaiserriich ghöört oder zu Ööstriich-Ungarn, e baar au zu Pröisse. Vor allem im Zareriich isch dr Druck uf d Schtetl-Kultur immer gröösser worde: So het dr Zar Alexander III. in de sogenannte Maigsetz de Juude verbote, sich in Ortschafte mit weniger as 10'000 Iiwooner ufzhalte. Au d Ufständ, Revoluzioone und Bürgerchrieg im früeje 20. Joorhundert und d Industrialisierig wo au in Ostöiropa aagfange het, häi iiri Wirkig ghaa. In dr Schoa wääred em Zwäite Wältchrieg häi denn die Dütsche und iiri lokale Hälfer d Schtetlech vollständig usglöscht und fast alli iiri Iiwooner ermordet.

Woonviertel, wo mä mit eme Schtetl cha vergliiche, git s hüte nume no in Däil vo Williamsburg, eme Stadtdäil vo Brooklyn in Nöi York, oder in Mea Shearim in dr Nööchi vo dr Altstadt vo Jerusalem. Aber au do wird Jiddisch nume no von ere Minderhäit gschwätzt. Die mäiste Iiwooner schwätze si lengerem im Alldaag d Sprooch vo iire Noochbere, sigs Änglisch in Williamsburg oder Ivrit, s modärne Hebräisch, in Israel.

Litratuur ändere

  • Barbara Beuys: Heimat und Hölle. Jüdisches Leben in Europa durch zwei Jahrtausende. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1996, S. 640ff, ISBN 3-498-00590-1.
  • Yaffa Eliach: There once was a world: a nine-hundred-year chronicle of the Shtetl Eishyshok. Boston [u. a.] 1998, ISBN 0-31-623239-4.
  • Dominik Esegovic: Vom Schtetl zum Sozialismus. Zur Bedeutung des sozialistischen Gedankens für die Schtetlech Osteuropas. Grin, Münche 2010, ISBN 978-3-640-62361-7.
  • Gennady Estraikh, Mikhail Krutikov (Hrsg): The shtetl: reality and image. (= Studies in Yiddish 2), Oxford 2000.
  • Sander Gilman: The Rediscovery of the Eastern Jews: German Jews in the East. 1890–1918. In: David Bronsen (Hrsg.): Jews and Germans from 1860–1933. Heidelberg 1979, S. 338–365 (deutsche Version: Sander Gilman: Die Wiederentdeckung der Ostjuden. Deutsche Juden im Osten 1890–1918. In: Michael Brocke (Hrsg): Beter und Rebellen. Aus 1000 Jahren Judentum in Polen. Deutscher Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Frankfurt am Main 1983, S. 11–32.) ISBN 3-923840-00-4.
  • Heiko Haumann: Geschichte der Ostjuden. Aktualisierte und erweiterte Neuausgabe, dtv, Münche 1998, ISBN 3-423-30663-7.
  • Heiko Haumann (Hrsg): Luftmenschen und rebellische Töchter: zum Wandel ostjüdischer Lebenswelten im 19. Jahrhundert. Böhlau, Köln [u. a.] 2003, ISBN 3-412-06699-0 (= Lebenswelten osteuropäischer Juden 7).
  • Eva Hoffman: Shtetl. The life and death of a small town and the world of Polish Jews. Houghton Mifflin, Boston 1997, ISBN 0-395-82295-5.
  • Steven T. Katz (Hrsg): The Shtetl: New Evaluations. NYU Press, Nöi York 2007.
  • Maria Kłańska: Aus dem Schtetl in die Welt. 1772 bis 1938, ostjüdische Autobiographien in deutscher Sprache, Böhlau, Wien 1994, ISBN 3-205-98024-7 (= Literatur und Leben [N.F.], Band 45).
  • Dan Miron: The image of the Shtetl and other studies of modern Jewish literary imagination. Syracuse 2001.
  • Ben-Cion Pinchuk: Shtetl Jews under Soviet rule: Eastern Poland on the eve of the Holocaust. Cambridge 1991.
  • Leo Prijs: Die Welt des Judentums. Beck, Münche 1984, ISBN 3-406-08461-3, S. 173ff.
  • Tamar Somogyi: Die Schejnen und die Prosten. Untersuchungen zum Schönheitsideal der Ostjuden in Bezug auf Körper und Kleidung unter besonderer Berücksichtigung des Chassidismus. Reimer, Berlin 1982, ISBN 3-496-00168-2 (= Kölner ethnologische Studien Band 2).
  • Roman Vishniac (mit einem Vorw. von Elie Wiesel): Verschwundene Welt, (Bildband). 3. Uflaag, Hanser, Münche 1984, ISBN 3-446-13841-2.
  • Stefi Jersch-Wenzel, Francois Guesnet (Hrsg): Juden und Armut in Mittel- und Osteuropa. Böhlau, Köln 2000, ISBN 3-412-16798-3.
  • Mark Zborowski, Elisabeth Herzog: Das Schtetl: die untergegangene Welt der osteuropäischen Juden. Beck, Münche 1992 (3. Uflaag), ISBN 3-406-35184-0.
  • Gisela Völger, Georg Heuberger: Leben im russischen Schtetl: jüdische Sammlungen des Staatlichen Ethnographischen Museums in Sankt Petersburg; Auf den Spuren von An-Ski, Katalog zu einer Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen historischen Museum im Amsterdam, Köln 1993.

Weblingg ändere

Fuessnoote ändere

  1. Ilex Beller: Das Leben im Schtetl. Ein jüdisches Dorf in 80 Bildern. Verlag Leeden, Tecklenburg 1989, ISBN 3-923631-21-9.
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