Legände

e literarischi Gattig
Dä Artikel befasst sich mit dr Legände as ere Verzelig. Für anderi Bedütige vom Begriff «Legende» lueg doo.


D Legände isch e Teggschtsorte oder gnauer e literarischi Gattig, wo mit em Määrli und dr Saag verwandt isch.

Dr Wilhelm Tell. Gmäld, Ööl uf Liinwand, us em Umkräis vom Paul Bril

Allgemäins

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Dr Begriff läitet sich vom middelalterlig-latiinische Usdruck legenda ab, was so vil bedütet wie «daas, wo mä muess lääse»,[1] «daas, wo söll vorglääse wärde»[2] bzw. «d Stück, wo mä muess lääse».[3] D Häärkumpft vom Begriff dütet eso en ängi Beziejig zur literarische Dradizioon aa, im Underschiid zur mündlig tradierte Saag. Scho in dr Antike si literarischi Verzellige über Persone entstande, wo as religiös-sittligi Persönligkäite und «Häiligi» uusegstande sin.[2]

In dr Hagiografii wärde sonigi Häiligelegände näbe Mertüürerakte und andere überliiferete Teggst as Vita undersuecht.[4] Hagiografischi Teggst wärde au hüte no von e baar Gleerte zur Gschichtsschriibig zellt,[5] allerdings muess mä do zwüsche "Häiligelegände" und „Häiligebiografie“ underschäide. Vor allem bi de politische Legände isch d Vorstellig verbräitet, ass es sich um Behauptige vo Daatsache handli, wo nid richdig si. Aber äinzelni Legände chönne e Kärn vo historischer Wooret enthalte, wenn si brobiere, in ere bildhafte oder szenische Verzellform dr Kärn vom ene Fakt oder dr Sinn vom ene Eräigniss z vermiddle, au wenn s für d Gschicht wie si verzellt wird käni historische Kwelle git.[6]

In dr Form vo dr Häiligschicht ziilt d Legände aber überhaupt nit uf die historischi Wooret ab, wo für si nume vordergründig isch, sondern uf s Verkünde von ere Glaubenswooret.[7] Es goot in ere zentral um d Offebaarig vo dr göttlige Häilsgschicht, wo in dr Person vom ene Häilige offebaar wird, und wo si Beglaubigung vor allem dur s Signum vom Wunder bechunnt.[8] Die bekanntiste Bischbil si d Christophorus- und d Georgslegände, wo as en Art vo narrativer Theologii chönne gälte. Bin ene blibt dr Raame vo dr Legändegschicht, grad wie bi dr Saag, em Müthos und em Määrli, im fikzionale Beriich.[8]

Gschicht und Tüpologie

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D Daufi und s Martürium vom Bonifatius, 11. Joorhundert

Won er d Legände klassifiziert het, het sich dr Theolog Harald-Martin Wahl an d Semantik vom Begriff Legenda aagläänt. Noch em Wahl si im antike Christedum zu de Legände um e Jesus Christus (Christuslegände), wo zum Däil in die apokrüfe Evangelie und in d Gschichte vo de Apostel ufgnoo worde si, spööter Legände vo de erste christlige Mertüürer (Mertüürerlegände) cho; vor Allem sonigi, wo d Chilleväter vom 3. Joorhundert (Tertullian, Hippolyt, Origenes, Cyprian) von ene brichtet häi und wo vo altgriechische Grabinschrifte bezügt si. Zämme mit dene Gschichte het s e religiöösi Vereerig vo de Mertüürer im Kult gee, wo vom Ändi vom 4. Joorhundert aa au für die Häilige bezügt isch (Liturgii, Relikwiekult). Sit denn häi d Christe die Häilige und d Mertüürer zämme mit de Ängel und de Apostel um Hilf bittet, wenn si bedroot worde oder in Noot cho si.[9]

Dr Filoloog Benedikt Konrad Vollmann het im ene Ardikel im ene christlige Wörterbuech über die religiööse Legände gschriibe, ass si «im Schwerifäld vo dr jewiilige Hoochreligion» wurde entstoo. As Bischbil erwäänt er für e Buddhismus d Buddhalegände und für en Islam d Legände um d Heldedaate vom Muhammad sim Schwiigersoon 'Ali. Bi de Legände, wo im Christedum entstande si, macht er en Underschiid zwüsche de Marielegände (Mariemirakel), Apostellegände (z. B. Andreas, Thomas, Jacobus), Bischofslegände (Nikolaus, Martinus), Mönchslegände (Antonius Eremita, Benedikt, Franziskus), Jungfrauelegände (Agnes, Agatha, Caecilia) und Büesserlegände (Gregorius).[2]

Zu de früeste Sammlige vo Legände wärde d «Dialogi de miraculis patrum Italicorum» vom Bapst Gregor em Groosse (540–604) zelt.[10] Vor 959 het d Kanonissin Hrotsvit, wo as die ersti dütschi Dichtere und Gschichtsschriibere gilt,[11] iiri ersti Legändesammlig abgschlosse.[12] Dr Inhalt, wo in epischer und elegischer Form gschriibe isch, het under anderem s Lääbe voo dr Maria, d Uferstejig vom Jesus Christus und s Lääbe vom Gangolf und vom Pelagius umfasst.[13] D Legände, wo in Dütschland entstande si, häi am Ändi vom Hoochmiddelalter in middelhoochdütsche Versepos e Höhepunkt gha. Zu de bekanntiste ghööre die vom Hartmann vo Aue, vom Konrad vo Würzburg oder vom Rudolf vo Ems. Im Hooch- und Spootmiddelalter si drnn vor allem au Legändesammligen in dr Form bo literarisch komponierte Legendar wit verbräitet gsi. Am mäiste Iifluss het d Legenda aurea vom Jacobus de Voragine (1228/29–1298) gha, wo d Legändestoff vo sinere Zit gsammlet und für kultischi Zwäck aber au für die brivati Frömmigkäit zuegänglig gmacht het. Dr Iifluss vo dä Wärk au uf die bildendi Kunst vo dere Zit cha mä kuum überschetze.

Im Zitalter vo dr Rönessans und vo dr Reformazioom het mä d Legände kritischer afo aaluege. Dr Erasmus vo Rotterdam het en Underschiid gmächt zwüsche de fabulae fictae (frei erfundeni Gschichte[14]) und de historische facta (Daatsache), wil mä die mit dr historisch-filologische Kritik cha undersueche, öb si ächt si. Dr Erasmus jet au num d facta für d educatio (Bildig) vom Humanist lo gälte.[15] Au dr dem Reformator Martin Luther het d fabulae fictae us dr humanistische Bildigsidee usgschlosse.[16] Dr Luther het die fromme Legände zur Erbaujigslitratuur zelt,[15] und isch vor allem gege Detäi vo de Wunder gsi, wo die Häiligevite usgschmückt häi, wil in sinere Mäinig «so vili Liege» din sige. Über d Legände, won er mee as äinisch as d „Lügende“ bezäichnet het, het er gschriibe: „Da doch niemand weis, Wo her sie komen, Wenn sie angefangen [...]. Item, wer der heiligen Lügenden S. Christoff, Georg, Barbara, Catherin, Ursula und der on zal mit iren Wundern auffbracht“.[16] Dr Luther het d Legände zwar grundsetzlig kritisiert, het aber bestimmti Motiv vo dr Wunderverzelig bin e baar häilige Gstalte as Usnaame lo gälte, zum si in dr „katechetische Allegorese“ z verwänden. Das het er bsundrigs mit Figure wie em Christophorus und em Georg gmacht, won er aber au seer kritisiert het, mit em Nikolaus, em Martin, dr Elisabeth und dr Katharina. Im Gegesatz zu de Häiligevite im Ganze het dr Luther die Usnaammotiv as broduktivi Fikzioone aagluegt; si sige käni Luuge, sondern Gedicht.[16]

Die protestantischi Theology het im Luther si Kritik ufgriffe und das het vo dr zwäite Helfti vom 16. Joorhundert bi de Kontroversiste zun ere usdeente Polemik gegenüber de Legände gfüert.[16] Im Zitalter vo dr Ufkläärig häi d Legände em kritische Inträssi nit standghalte, aber in dr Romantik si si wider populär worde. E hufe Schriftsteller im 19. Joorhundert häi noch eme Pleduayee vom Herder nöiji Legände verfasst. Zu deene ghööre im Goethe si Legende vom Hufeisen und im Kleist si Die heilige Cäcilie oder die Gewalt der Musik. Im 20. Joorhundert isch d Legände widerbeläbt worde, au wenn vilmol in dr Form vo parodische «Antilegände». Zitgenössischi Legände si mäistens so genannt Urban Legends.

Litratuur

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  • Hans-Peter Ecker: Die Legende. Kulturanthropologische Annäherung an eine literarische Gattung. Metzler, Stuttgart / Weimar 1993, ISBN 3-476-00899-1
  • Hubertus Halbfas: Die Wahrheit der Legende. In: Ewald Volgger (Hrsg.): Sankt Georg und sein Bilderzyklus in Neuhaus, Böhmen (Jindřichův Hradec). Historische, kunsthistorische und theologische Beiträge (= Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens, Band 57). Elwert, Marburg 2002, ISBN 3-7708-1212-3.
  • Siegfried Ringler: Zur Gattung Legende. Versuch einer Strukturbestimmung der christlichen Heiligenlegende des Mittelalters. In: Peter Kesting (Hrsg.): Würzburger Prosastudien II. Untersuchungen zur Literatur und Sprache des Mittelalters. Festschrift für Kurt Ruh zum 60. Geburtstag. Münche 1975 (Medium Aevum 31), S. 255-270 DNB 750315571.
  • Hellmut Rosenfeld: Legende. 4. Uflaag. Metzler, Stuttgart 1982, ISBN 3-476-14009-1.
  • Herbert Walz (Hrsg.): Legende. Buchner, Bambärg 1986, ISBN 3-7661-4337-6 (formal falschi ISBN)

Weblingg

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  Commons: Legende – Sammlig vo Multimediadateie

Fuessnoote

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  1. Harald-Martin Wahl: Die Jakobserzählungen. Studien zu ihrer mündlichen Überlieferung, Verschriftung und Historizität. Berlin / New York 1997, S. 87 f., ISBN 3-11-015758-6.
  2. 2,0 2,1 2,2 Benedikt Konrad Vollmann: Sage und Legende. In: Volker Drehsen, Hermann Häring u. a. (Hrsg.): Wörterbuch des Christentums. 1500 Stichwörter von A-Z. Münche 2001, S. 1109 f., ISBN 3-572-01248-1.
  3. Silke Müller, Susanne Wess: Studienbuch neuere deutsche Literaturwissenschaft 1720-1848 (= Lern- und Arbeitshilfen für Schule und Universität). 2. Uflaag, Würzburg 1999, S. 151, ISBN 3-8260-1713-7.
  4. Christina Adenna: Heiligenviten als stabilisierende Gedächtnisspeicher in Zeiten religiösen Wandels. In: Peter Strohschneider (Hrsg.): Literarische und religiöse Kommunikation in Mittelalter und Früher Neuzeit. Berlin / Nöi York 2009, S. 526, ISBN 978-3-11-020061-4.
  5. Meinolf Vielberg, Jürgen Dummer: Zwischen Historiographie und Hagiographie. Ausgewählte Beiträge zur Erforschung der Spätantike. Stuttgart 2005, S. 7, ISBN 3-515-08661-7.
  6. Gerd Krumeich: Die Dolchstoßlegende. In: Étienne François, Hagen Schulze (Hrsg.): Deutsche Erinnerungsorte. 4. Uflaag, Münche 2002, S. 586, ISBN 3-406-47222-2.
  7. Lueg Ringler (s. o.: Literatur), S. 260f.; 267.
  8. 8,0 8,1 Jo Reichertz: Die Macht der Worte und der Medien. 2. Uflaag, Wisbaade 2008, S. 77f., ISBN 978-3-531-16307-9; Ringler (s. o.: Literatur), S. 257-259.
  9. Harald-Martin Wahl: Die Jakobserzählungen. Berlin / Nöi York 1997, S. 88. (Angegebene Quelle: Hellmut Rosenfeld: Legende. Stuttgart 1982, S. 23.)
  10. Claus Träger: Wörterbuch der Literaturwissenschaft. 2. Uflaag, Leipzig 1989, S. 291, ISBN 3-323-00015-3.
  11. Gerhard Müller (Hrsg.): Theologische Realenzyklopädie. Bd. 15. Berlin / Nöi York 1986, S. 611 ISBN 3-11-008585-2.
  12. Max-Planck-Institut für Geschichte: Festschrift für Hermann Heimpel zum 70. Geburtstag am 19. September 1971. Göttinge 1971, S. 47. DNB
  13. Max Manitius: Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters. (= Handbuch der Altertumswissenschaft, IX. Abt., 2. Teil, 1. Band). 4. Noochdruck vo dr 1. Uflaage, wo 1911 erschiine isch, Münche 1974, S. 620, ISBN 3-406-01400-3; Karl August Barack (Hrsg.): Die Werke der Hrotsvitha. Nürnberg 1858. [1]
  14. Dr Begriff „fabulae fictae“ wird bim Hasubek mit Bezug uf die griechischi und römischi Litratuur mit «frei erfundene Erzählungen» übersetzt, lueg Peter Hasubek (Hrsg.): Die Fabel. Theorie, Geschichte und Rezeption einer Gattung. Berlin 1982, S. 61, ISBN 3-503-01684-8.
  15. 15,0 15,1 Wolfgang Brückner (Hrsg.): Volkserzählung und Reformation. Ein Handbuch zur Tradition und Funktion von Erzählstoffen und Erzählliteratur im Protestantismus. Berlin 1974, S. 37, ISBN 3-503-00540-4.
  16. 16,0 16,1 16,2 16,3 Rolf Wilhelm Brednich u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung. Bd. 8: Klerus – Maggio. Berlin / Nöi York 1996, S. 1296 f., ISBN 3-11-014339-9.